Die Woche der Entscheidung: #pdlbm18

Preis Leipziger Buchmesse Nominierte Belletristik Buecherherbst Buecherblog

In dieser Woche wird im Rahmen der Leipziger Buchmesse 2018 der Preis der Leipziger Buchmesse vergeben. Um einen Überblick über die nominierten Bücher der Kategorie Belletristik zu erlangen, habe ich seit der Bekanntgabe der Nominierungen Leseproben der Bücher quergelesen, sowie Rezensionen in Blogs oder im Feuilleton auf mich wirken lassen. Damit jeder Leser selbst urteilen kann, gebe ich einen kurzen Überblick mit Rezensionslinks zu den #pdlbm18-Nominierten:

Isabel Fargo Cole – Die grüne Grenze

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Inhalt: Ein junges Künstlerpaar zieht von Berlin aufs Land. Ein Kind ist unterwegs – ungeplant. Die Ehe – unbedacht. Es ist 1973, das Dorf heißt Sorge und liegt in der Sperrzone der DDR im Harz. Editha ist Bildhauerin mit staatlichen Aufträgen, Thomas ist Schriftsteller und will nun den Roman über die Grenze schreiben. Hat nicht schon Honecker verkündet, in der Literatur gebe es keine Tabus mehr? Ein historischer Roman bietet sich an, denn der Harz ist schon immer Grenze gewesen, verstrickt zwischen religiösen und politischen Machtsphären, Germanen und Slawen, Mensch und Natur. Thomas kämpft noch mit dem Material, doch 1976 schon ist das „Tauwetter“ vorbei. Die kleine Tochter Eli lernt sprechen in einer Welt, in der das Sagen und das Nicht-Sagen-Dürfen, das Wissen und das Wahrnehmen eine hohe Kunst sind. Thomas‘ Spiele in imaginären Welten mit dem phantasiebegabten Kind sind höchst gefährlich. Als Thomas und Editha kurz vor der „Wende“ von einer verdrängten Vergangenheit heimgesucht werden, flüchtet Eli in den Wald – und über mehr als eine Grenze. (Edition Nautilus)

Leseprobe

„Ein Roman über Menschen ist schließlich immer auch ein Roman über das System, in dem sie sich bewegen. Am Rand der DDR spürt man die Schallwellen der großen Politik mit Verzögerung, aber man spürt sie. […] Die grüne Grenze ist ein Deutschlandbuch, das ohne jedes Klischee auskommt und trotz seiner fast 500 Seiten nie aufgebläht wirkt.“ (Spiegel Online)

„Wie die Geschichte das Leben der Menschen prägt und verändert – das beschreibt dieser Roman sehr eindringlich. […] Das komplexe wie vielstimmige Werk strahlt eine besondere Sprachkraft aus, die allerdings an einigen Stellen und in einigen Szenen etwas überbordend wirkt.“ (Zeichen & Zeiten)

„Es wird in diesem Buch […] viel gelesen und gesprochen, dafür weniger gehandelt. [… Isabel Fargo Cole] pflegt einen elegischen, versonnenen Stil, der Seltenheitswert hat.“ (Deutschlandfunk)

Matthias Senkel – Dunkle Zahlen

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Inhalt: Moskau 1985: Die internationale Programmierer-Spartakiade hält die akademischen Eliten des Landes in Atem. Hier messen sich aufstrebende Mathematiker in den Techniken der Zukunft, die nur noch einen Tastendruck entfernt scheint. Doch die kubanische Nationalmannschaft ist kurz vor der Eröffnung des Wettbewerbs spurlos verschwunden – und ihre resolute Übersetzerin Mireya begibt sich auf eine atemlose Suche durch die fremde Hauptstadt, die wie elektrostatisch aufgeladen surrt und flimmert. Architekten und Agenten, dichtende Maschinen und sogar Stalins leibhaftiger Schatten treffen in dieser wilden und manchmal fantastischen Erzählung aufeinander: ein schillerndes Mosaik der Sowjetunion kurz vor der folgenreichen Vernetzung der Welt. (Matthes & Seitz Berlin)

Leseprobe

„Wissen und Witz liegen in diesem Buch ganz dicht beieinander. […] Doch erzählerisch zeigen sich einige Schwächen. Das Personal seiner Handlung bleibt merkwürdig blass, und es gelingt ihm nicht, die vielen verwickelten Fäden seiner zahlreichen Handlungsstränge zu einem Gesamtwerk zu verknüpfen.“ (NDR)

„Ein großes, kluges Spiel zweifellos. Allerdings eines für Spezialisten. Dunkle Zahlen ist ein Nerd-Roman. Kritiker und Bedeutungs-Hacker können hier in Dechiffrier-Spartakiaden ihre Kräfte messen. Manch anderer wird in den komplizierten Verschaltungen dieser Literaturmaschine rasch einen Systemabsturz erleiden.“ (Stuttgarter Zeitung)

„Selten geht es in der Gegenwartsliteraur so witzig und durchtrieben zu: In seinem Roman Dunkle Zahlen erzählt Matthias Senkel über die Computerwelt der späten Sowjetunion.“ (Süddeutsche Zeitung)

Esther Kinsky – Hain

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Inhalt: Drei Reisen unternimmt die Ich-Erzählerin in Esther Kinskys Geländeroman. Alle drei führen sie nach Italien, doch nicht an die bekannten, im Kunstführer verzeichneten Orte, nicht nach Rom, Florenz oder Siena, sondern in abseitige Landstriche und Gegenden – nach Olevano Romano etwa, einer Kleinstadt in den Hügeln nordöstlich der italienischen Hauptstadt gelegen, oder in die Valli di Comacchio, die Lagunenlandschaft im Delta des Po, halb von Vögeln beherrschte Wasserwelt, halb dem Wasser abgetrotztes Ackerland. Zwischen diesen beiden Geländeerkundungen im Gebirge und in der Ebene führt die dritte Reise die Erzählerin zurück in die Kindheit: Wie bruchstückhafte Filmsequenzen tauchen die Erinnerungen an zahlreiche Fahrten durch das Italien der Siebzigerjahre auf, dominiert von der Figur des Vaters. (Suhrkamp)

Leseprobe

„Im Durchstreifen und Beobachten erweist sich die Unrast als Handlungskern dieses Geländeromans. ‚Gelände‘ ist nicht ‚Landschaft‘, taugt aber zum Seelenspiegel, da es menschliche Spuren trägt. […] Kinskys Schreibweise sucht nie den Effekt, ihre Dunkelheit ist nicht aufdringlich, sondern entsteht durch die Lücken und Abbrüche.“ (Der Tagesspiegel)

„Die Sensibilität, mit der diese Sprachartistin und Spurenleserin die Brachen der Welt abtastet, prägt den Geländeroman, der auch ein Logbuch der Erkundungen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Leben und Tod ist.“ (Augsburger Allgemeine)

„Ein Muss für jeden Lesezirkel einer mittelgroßen Universitätsstadt. Auch in Sachsen gibt es einsame Friedhöfe. Esther Kinsky hat viel aus dem Polnischen übersetzt. Das gibt Ost-Bonuspunkte. Ein Stipendium für die Casa Baldi in Olevano gilt als gutes Preis-Omen. Siehe Jan Wagner, Leipzig-Sieger 2015, der auch schöne Italien-Verse schreibt. Daumen rauf!“ (Welt Online)

Georg Klein – Miakro

Miakro Klein rowohlt pdlbm18 Nominierte Buecherherbst Buecherblog

Inhalt: Die Männer, die im Mittleren Büro ihren Dienst versehen, arbeiten, Pult neben Pult, am weichen Glas. Am Ende des Tages marschieren sie geschlossen zum aktuellen Nährflur, wo die bleiche Wand eine Speise für alle bereitstellt. Danach schlüpft jeder in seine Ruhekoje. Dort aber liegt Büroleiter Nettler seit einigen Nächten wach. Ein rätselhafter Binnenwind zieht ihm das Gestern, Heute, Morgen ungezählter Arbeitsjahre neu herbei. Allmählich geraten die Selbstverständlichkeiten des Bürolebens ins Wanken. Es hat den Anschein, die guten Tage seien gezählt. Gemeinsam mit drei mehr oder weniger vertrauenswürdigen Kollegen passiert Nettler die Schleuse, den einzigen Weg, der hinausführt aus dem Mittleren Büro. Draußen aber wird, was die Männer für ihre Arbeitsheimat hielten, bereits mit heller Wachsamkeit beobachtet. Fachleutnant Xazy, die leitende technische Agentin, hat begonnen, sich furchtlos um die Zwielichtzone des Natürlichen, um den Grenzbereich zwischen Außen- und Innenwelt, zu kümmern. (Rowohlt)

Leseprobe

Miakro, diese literarische Fantasy mit Anleihen bei der Romantik und bei Kafka, ist eine große Irritation. Eine sinnlich höchst greifbare allerdings. Georg Klein betreibt hingebungsvoll Materialkunde in Prosa. Seine Sätze betasten förmlich Glas und Tuch, Gewächse, Mauern und Geräte – und bekommen so selbst etwas Stoffliches.“ (BR)

„Dieses Buch zu lesen, bedeutet letztlich, sich einer ungeheuerlichen Anstrengung auszusetzen, bedeutet, sich von einem Sprachstrudel in ein unbekanntes Inneres mitreißen zu lassen. Also keine Prosa zum nächtlichen Einschlafen, allerdings eine Einladung für all jene, die, wie ein weiterer Begriff des Romans so treffend festhält, ‚Schädelknirschen‘ nicht scheuen.“ (Spiegel Online)

„Fantastisch, unheimlich und gespenstisch ist Miakro durchaus. Auch wenn der Erkenntnisgewinn am Ende wohl doch etwas zu sehr leidet. Auch ein utopischer Text darf den Bezug zur Realität eben nicht vollends verlieren.“ (Hamburger Abendblatt)

Anja Kampmann – Wie hoch die Wasser steigen

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Inhalt: Wenzel Groszak, Ölbohrarbeiter auf einer Plattform mitten im Meer, verliert in einer stürmischen Nacht seinen einzigen Freund. Nach dessen Tod reist Wenzel nach Ungarn, bringt dessen Sachen zur Familie. Und jetzt? Soll er zurück auf eine Plattform? Vor der westafrikanischen Küste wird er seine Arbeitskleider wegwerfen, wird über Malta und Italien aufbrechen nach Norden, in ein erloschenes Ruhrgebiet, seine frühere Heimat. Und je näher er seiner großen Liebe Milena kommt, desto offener scheint ihm, ob er noch zurückfinden kann. (Hanser)

Leseprobe

„Der Roman ist ein Roadmovie, ein Roman über Wanderarbeiter, wie es sie auch heute noch gibt – ein ungewöhnliches Thema, das die Autorin hier wählt. Kampmann hätte daraus auch ein Lang-Gedicht machen können, so lyrisch drückt sie sich aus. Verkapselte Sätze, Zeilenumbrüche und Metaphern, Zeitsprünge, die gut als Gegenpol zur kargen melancholischen Ausstattung des Inhalts passen. Ich kann mich daran gar nicht satt lesen, an dieser wertvollen Sprache.“ (literaturleuchtet)

Wie hoch die Wasser steigen ist ein sehr diffuses Buch. Es kann sehr gut die dumpfe Trauer, beziehungsweise den betäubten Schreck nach einer Katastrophe vermitteln, aber ich hatte trotzdem keinen Anteil an Wenzels Verlust. Die Satzstellung ist trotz ihrer Schönheit, manchmal nur schwer lesbar.“ (Frau Hemingway)

„Hier ist eine Autorin zu entdecken, deren umfassende Weltaneignung durch Sprache sich am ehesten mit dem Schreibfuror Peter Handkes vergleichen lässt. […] Das lineare Fortschreiten erzählender Prosa wird hier durch Tempodrosselung konterkariert, durch Erinnerungseinschübe und Bilder, die Filmstils gleichen. So entsteht ein ganz eigener Raum des Sehens und Hörens, des Fühlens und Riechens.“ (ZEIT Online)

10 Kommentare zu “Die Woche der Entscheidung: #pdlbm18

    • Leider bin ich nicht dazu gekommen, eines der nominierten Bücher zu lesen. Anhand der Leseproben muss ich allerdings gestehen, dass mir keines der fünf so wirklich zusagt. Vielleicht werde ich nach der Bekanntgabe des Preisträgers diesen lesen und dann anders urteilen.

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  1. Pingback: Welches ist das Sachbuch des Jahres? | Bücherherbst

  2. Eine schöne Zusammenstellung – ganz herzlichen Dank hierfür.
    Bin mir wirklich auch unsicher, wer sich gute Chancen ausrechnen kann. Aber ich tippe einfach mal auf „Dunkle Zahlen“ …

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  3. Dein Artikel ist großartig geworden – eine schöne Übersicht über die Nominierten und der Meinungen zu den Büchern. Hab vielen Dank für die Verlinkung. 🙂

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  4. Pingback: Lesenswertes aus aller Welt | Bücherherbst

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