Die groteske Welt eines Teenies

tagert-mitarbeiter-des-monats-buecherblog-buecherherbst-rezension„Besonders im Fokus […] stehen oft die Schwierigkeiten von Paarbeziehungen und der Mensch als Teil einer rigiden Konsumgesellschaft. Ängste, Depressionen, Unsicherheit, Orientierungslosigkeit, andererseits Widerstand und Protest gegen die Gesellschaft und immer wieder die Liebe als zentrales Motiv sind wichtige Begriffe“ (Wikipedia). Treffender als mit der Beschreibung des Stils der Band Blumfeld – eine 1990 gegründete Popband, die sich nach Franz Kafkas Blumfeld, ein älterer Junggeselle benannt hatte – könnte der Leitgedanke in Fil Tägerts (eigentlich: Philip Tägert) zweitem Roman Mitarbeiter des Monats kaum skizziert werden. Der Autor hat diese gedankliche Brücke durchaus beabsichtigt, immerhin lässt er im Laufe der Geschichte einen seiner Protagonisten vorschlagen, die Band, in der dieser gemeinsam mit dem Ich-Erzähler spielt, eben in Blumfeld umzubenennen.

Was war ich für eine sinnlose Figur. Die sinnloseste Figur des Universums.

Schon früh in der Geschichte wird deutlich, wohin die Reise gehen soll: Hauptprotagonist Nick ist zum Zeitpunkt der Erzählung (1970er und 1980er Jahre) ein gerade der Pubertät entsprungener 19-jähriger Punk, der nach seinem Schulabschluss nicht viel auf die Kette bekommt und bei McDonalds jobbt. Er hat wenig Lust auf seine Arbeit, bei den Frauen kommt er eher mittelmäßig an und selbst nach fünf Jahren kann er noch nicht Skateboard fahren. Am liebsten hängt er mit seinen Freunden herum, Burner, Milbe, Rocky und La Boum – letzterer Name übrigens eine Reminiszenz an die französische Teenager-Komödie La Boum (1980), die von Freundschaft und den Gefühlswelten von Jugendlichen handelt.

Zusammen mit La Boum spielt Nick in der Punkband Adolf and the Peoples. Ob ihre Erfolgslosigkeit am Namen liegt oder eher an dem dauerbekifften Kumpel, ist kaum auszumachen. Nicks Beziehungen sind eher sprunghaft, was zum einen daran liegt, dass er sich sofort über beide Ohren in die Frauen verliebt, zum anderen daran, dass er nicht gerade der Held vom Erdbeerfeld ist. Tägert beschreibt das typische Leben eines jungen Erwachsenen: zweifelnd, wankelmütig und stets auf der Suche nach Selbstverwirklichung. Und zwischendurch auch noch ein paar (Teenie-)Weisheiten, beispielsweise wenn Nick selbstreflektierend der Meinung ist, nicht so moralisch verlottert wie der Rest zu sein: „Es war unser aller Storno-Porno, der hier ablief. Und es war krank. Ich würde auch gleich aufhören, hier zu glotzen, mein Leben sollte nicht so sein. Ich war besser als das hier. Aber stopp mal, war das nicht ein unerträglich arroganter Gedanke? Kam nicht mein ganzer Ärger ausschließlich davon, dass ich mich heimlich für was Besseres hielt? War ich denn besser als Murat? Nein. Scheiße, wir waren alle gleich, und das war auch gut so, oder?“

Das war immer traurig, wenn einer seine Verkleidung ablegte und normal wurde. Sah schrecklich aus. Banal. Alle hatten wir Angst vor dem Tag, an dem wir unserer eigenen Banalität ins Gesicht schauen mussten. Dieser Tag würde kommen, das Ende der Jugend.

Es ist ein durchaus amüsanter, teils absurder Ritt durch den Alltag eines jungen Erwachsenen, der die Welt aus seinem Blickwinkel schildert – und das auch in einer entsprechenden Jugendsprache, die zwischen unterhaltsam und vulgär pendelt. Auch wenn der Autor an mancher Stelle sprachlich überdreht, verleiht die rüde Jugendspreche sowie die teils direkte Ansprache des Lesers dem Roman Authentizität. Wenn Dialoge allerdings aus einem abwechselnden „Hehe“ – „Hehehe“ – „Hehe“ – „Hehehehehe“ bestehen, geht es schon an die Grenze des ertragbaren Sinnfreien. Genauso wie Fil Tägert als Entertainer auf der Bühne sicher regelmäßig mit Sprache spielt, versucht er es im Geschriebenen gleichfalls – das kann gefallen, aber auch abstoßen. Mitarbeiter des Monats ist ein völlig durchgeknallter Roman zwischen Punk und Proll, der launig ist und den Leser zu unterhalten weiß.

Ein pinkes Tier. Gefangen anscheinend, denn sie rannte so von links nach rechts. Die Herumstehenden waren die Käfigstäbe. Wahnsinn. Das war doch mein bisheriges Leben, was sie hier darstellte.

Ein Kommentar zu “Die groteske Welt eines Teenies

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