Buchtipps: Belletristik, Politik, Sachbuch, für Kinder

Es ist ein beliebtes Ritual, an Silvester – und leider auch schon weitaus davor – Raketen in die Luft zu schießen und einem (für mich) nicht nachvollziehbarem Böllerwahn zu frönen. Abgesehen von der Vorstellung, wie viele sinnvolle Projekte man mit diesem ganzen verfeuerten Geld unterstützen könnte, verstehe ich ohnehin nicht, warum in einer ganzjährig lauten Welt das Jahresende mit einem noch lauterem Knall beendet respektive das neue Jahr begonnen werden sollte. Anstatt zu Jahresbeginn Kraft zu tanken, um wichtige oder schöne Vorhaben anzugehen, wird in Übermaß Geld ausgegeben für wenige Sekunden „Spaß“.
Für alle Menschen, die sich das Geld gespart haben und lieber das neue Jahr mit guten Büchern beginnen möchten, habe ich ein paar Buchtipps für den Start in 2019 – oder für den ruhigen letzten Abend des Jahres, denn da die meisten Buchhandlungen auch am 31. Dezember geöffnet haben, kann man schnell nochmal lostigern, um neuen Lesestoff zu besorgen.
Belletristik
Lukas Rietzschel – Mit der Faust in die Welt schlagen, 320 Seiten
Philipp und Tobias wachsen in der Provinz Sachsens auf. Im Sommer flirrt hier die Luft über den Betonplatten, im Winter bricht der Frost die Straßen auf. Der Hausbau der Eltern scheint der Aufbruch in ein neues Leben zu sein. Doch hinter den Bäumen liegen vergessen die industriellen Hinterlassenschaften der DDR, schimmert die Oberfläche der Tagebauseen, hinter der Gleichförmigkeit des Alltags schwelt die Angst vor dem Verlust der Heimat. Die Perspektivlosigkeit wird für Philipp und Tobias immer bedrohlicher. Als es zu Aufmärschen in Dresden kommt und auch ihr Heimatort Flüchtlinge aufnehmen soll, eskaliert die Situation. Während sich der eine Bruder in sich selbst zurückzieht, sucht der andere ein Ventil für seine Wut. Und findet es. Lukas Rietzschels Roman ist eine Chronik des Zusammenbruchs. Eine hochaktuelle literarische Auseinandersetzung mit unserem zerrissenen Land. (Ullstein)
Viet Thanh Nguyen – Die Geflüchteten, 320 Seiten
Ein junger vietnamesischer Geflüchteter gerät in den späten Siebzigerjahren in eine Schwulen-WG in San Francisco und erleidet einen profunden Kulturschock; ein Physikprofessor mit Demenz im Frühstadium beginnt, seine Frau mit einer Geliebten aus der alten Heimat zu verwechseln; eine junge Frau besucht ihre Halbgeschwister in Ho-Chi-Minh-Stadt und gibt vor im Einwanderungsland Amerika erfolgreicher zu sein, als sie eigentlich ist.
Stilistisch brillant und scharf beobachtet, beleuchtet Viet Than Nguyen die Sehnsüchte jener, die ihr Herkunftsland verlassen müssen, um woanders neu anzufangen, das Leben zwischen zwei Welten, die Hoffnungen und Härten, die mit der Migration verbunden sind, und den Wunsch nach Verortung und Selbstverwirklichung, der unser aller Leben prägt. Ein fesselndes Zeugnis der universellen Erfahrung von Verlust, Flucht, Vertreibung und der Suche nach der eigenen Identität. (Blessing)
Volker Kutscher – Marlow, 560 Seiten
Berlin, Spätsommer 1935. In der Familie Rath geht jeder seiner Wege. Pflegesohn Fritz marschiert mit der HJ zum Nürnberger Reichsparteitag, Charly schlägt sich als Anwaltsgehilfin und Privatdetektivin durch, während sich Gereon Rath, mittlerweile zum Oberkommissar befördert, mit den Todesfällen befassen muss, die sonst niemand haben will. Ein tödlicher Verkehrsunfall weckt seinen Jagdinstinkt, obwohl seine Vorgesetzten ihm den Fall entziehen und ihn in eine andere Abteilung versetzen.
Es geht um Hermann Göring, der erpresst werden soll, um geheime Akten, Morphium und schmutzige Politik. Und um Charlys Lebenstrauma, den Tod ihres Vaters. Und um den Mann, mit dem Rath nie wieder etwas zu tun haben wollte: den Unterweltkönig Johann Marlow. (Piper)
Thomas Mullen – Darktown, 480 Seiten
Atlanta, 1948: Auf Druck von oben sieht sich das Police Department gezwungen, die erste Einheit farbiger Polizisten in seiner Geschichte aufzustellen. Acht Männer, die in »Darktown«, dem streng abgegrenzten Viertel der farbigen Einwohner, für Recht und Ordnung sorgen sollen. Die Situation ist alles andere als einfach: Ihre weißen Kollegen begegnen den Beamten mit tiefer Feindseligkeit. Sie dürfen nicht vom Polizeipräsidium aus arbeiten, haben keine Erlaubnis, weiße Verdächtige zu verhaften. Und selbst die farbige Bevölkerung begegnet ihnen mit Misstrauen. Als eine junge farbige Frau tot aufgefunden wird, scheint das niemanden zu interessieren – bis auf Lucius Boggs und Tommy Smith, zwei Cops der neuen Einheit, die sich gemeinsam auf die Suche nach der Wahrheit machen. Zwischen zwielichtigen Alkoholschmugglern, scheinheiligen Puffmüttern, korrupten Gesetzeshütern und unter permanenter rassistischer Unterdrückung riskieren Boggs und Smith ihre neuen Jobs – und ihr Leben –, um den Fall zu lösen.
Darktown ist ein hochatmosphärisches, komplex erzähltes und mitreißendes Krimi-Epos, eine kluge literarische Erkundung der Themen Rassismus, Korruption und Gerechtigkeit. (DuMont Buchverlag)
Felwine Sarr – Afrotopia, 200 Seiten
„Dunkler Kontinent“, „Elendsgebiet“ oder „Rohstofflager der Welt“, noch immer denken und reden wir über Afrika in Stereotypen. Und noch immer ist der Maßstab, mit dem wir den Zustand und die Perspektive des Kontinents beurteilen, das Entwicklungsmodell des Westens, selbst wenn sich dieses weltweit als höchst zerstörerisch erwiesen hat. In seinem bahnbrechenden Manifest, das zugleich Analyse und Utopie ist, fordert Felwine Sarr eine wirkliche Entkolonialisierung Afrikas, indem es sich auf seine vergessenen und verdrängten geistigen Ressourcen zurückbesinnt, ohne gleichwohl den Kontakt mit der Moderne zu verleugnen. So findet sich eine Fülle kulturellen und geistigen Reichtums, die auf ein anderes, ausgeglicheneres Verhältnis zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur verweist. Die afrikanische Kulturrevolution bietet dabei auch für den Rest des Planeten dringend benötigte Ansätze, um eine bewusstere und würdevollere Zivilisation zu begründen. In 35 Jahren wird ein Viertel der Weltbevölkerung in Afrika zuhause sein – höchste Zeit, die verborgene Lebenskraft des Kontinents zu entdecken und das Zeitalter des Afrofuturismus einzuläuten. (Matthes & Seitz)
Das politische Buch
Frank-Walter Steinmeier – Es lebe unsere Demokratie, 48 Seiten
Der 9. November 1918 ist die Geburtsstunde der Republik in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellt in seiner fulminanten Rede zum hundertsten Jahrestag, die hier erstmals in Buchform erscheint, dieses Ereignis in eine deutsche Tradition von erkämpfter Freiheit, auf die wir stolz sein können – ohne die Abgründe zu verdrängen, die ebenso mit dem 9. November verbunden sind. Nicht zuletzt erinnert uns dieses Datum daran, dass Demokratie und Freiheit auch heute keine Selbstverständlichkeit sind. (Siedler Verlag)
Walter Mühlhausen – Experiment Weimar, 130 Seiten
Weimar war Experiment, Versuch, Aufbruch, Sprung in die Moderne. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie und ihres Endes ist komplex und bis heute wichtig für uns: War sie durch Fehler und Versäumnisse in der Gründungsphase zum Scheitern verurteilt oder hatte sie nicht doch bis zuletzt eine echte Überlebenschance? Walter Mühlhausen zeichnet die Entwicklungen der Weimarer Republik kompetent nach und liefert ein spannendes Bild einer von inneren Kämpfen zerrissenen, äußerlich bedrängten und ökonomisch belasteten Republik.
Populistische Aktionen, Politikverachtung und gesellschaftliche Desintegration heute künden von einer Erosion des freiheitlich-demokratischen Grundkonsenses. Ein Blick auf das Scheitern von Weimar zeigt, wie fragil erkämpfte demokratische Ordnungen sein können: Wenn der demokratische Grundkonsens nicht mehr von allen getragen oder wenn er zielgerichtet infrage gestellt wird, dann hat Demokratie keinen Ewigkeitscharakter mehr. (Dietz Verlag)
Björn Hacker – Weniger Markt, mehr Politik, 200 Seiten
Hat die EU ausgedient? Nach zehn Jahren Dauerkrise ist die europäische Integration in schlechter Verfassung. Doch Diskussionen über nationale oder europäische Kompetenzverteilung gehen an der zentralen Konfliktlinie vorbei, so Björn Hacker. Europa kann vom Sündenbock zum Problemlöser werden, wenn es sich von der derzeit dominanten Marktgläubigkeit der Europapolitik löst und den politischen Gestaltungsanspruch in den Mittelpunkt stellt.
Anhand von drei Reformfeldern – Wirtschafts- und Währungsunion, Migration, Soziales – stellt Hacker konkret dar, wie die EU transnationale politische Gestaltungsmöglichkeiten nutzen kann. Europäische Integration könnte so zum Werkzeug werden, um dem Unbehagen gegenüber Globalisierung und Kapitalismus zu begegnen. Ein Aufruf zur Kurskorrektur im Hinblick auf die Europawahlen 2019: Europas Stunde der Entscheidung ist jetzt. (Dietz Verlag)
Sachbücher / Sonstiges
Stefan-Ludwig Hoffmann – Geschichte der Menschenrechte, 300 Seiten
Der Glaube an die Universalität der Menschenrechte, so Hoffmann, ist selbst historisch, entstanden aus den sozialen und politischen Konflikten der letzten Jahrhunderte: Kolonialismus und imperiale Weltbeherrschung, Aufstieg des Nationalstaats und einer internationalen Staatenwelt, Globalisierung und neue Ungleichheit. Nur im Rückblick wird erkennbar, dass zu unterschiedlichen Zeiten mit den Menschenrechten oft ganz Gegensätzliches verhandelt wurde. In seiner brillanten Studie zeichnet Hoffmann diese spannungsreiche Entwicklung nach und stellt die unbequeme Frage, ob der Menschenrechtsidealismus des späten 20. Jahrhunderts gegenwärtig an sein Ende kommt. (Suhrkamp)
Samuel Beckett – Was bleibt, wenn die Schreie enden? Briefe 1966-1989, 1.200 Seiten
Dieser Band beschließt die große vierbändige Ausgabe der Briefe Samuel Becketts. Er enthält Briefe aus den letzten 23 Lebensjahren, in denen sich das Werk des seit Warten auf Godot (1953) berühmten Autors weiter entfaltet.
1969 erhält Beckett den Nobelpreis – und flieht nach Tunesien. Aus der Lawine der Glückwünsche und sonstigen Zuschriften kann er, der gewissenhafte Korrespondent, sich kaum befreien. Immer wieder, zum Beispiel zu den Geburtstagen, wird er in dieser Weise verschütt gehen, sich beklagen und aufs Neue berappeln. Denn weiterhin drängen Texte ans Licht. Zahlreiche Theater- und Fernsehstücke entstehen ebenso wie Prosa, so die Trilogie Gesellschaft, Schlecht gesehen schlecht gesagt und Aufs Schlimmste zu.
Beckett inszeniert die eigenen Stücke in Paris, London und häufig in Berlin – sowie Fernsehstücke in Stuttgart. Dauernd ist er mit Selbstübersetzungen (französischer Texte ins Englische, englischer Texte ins Französische) beschäftigt. Er bekommt es – unwillig und dann doch kooperativ – mit BiographInnen zu tun, Deirdre Bair, dann James Knowlson (Samuel Beckett. Eine Biographie, 2001). Urlaube, die er mit seiner Frau auf Malta, an der nordafrikanischen Küste oder in den Alpen verbringt, sind auch Fluchten vor dem Pariser und internationalen Kulturbetrieb, den er hasst und in dem er doch unermüdlich mitwirkt. (Suhrkamp)
David Foster Wallace – Der Spaß an der Sache, 1.136 Seiten
Zum zehnten Todestag des wichtigsten amerikanischen Autors seiner Generation erscheinen alle Essays in einem Band. Gerade die Essays und Reportagen sind für viele Kritiker und Leser Wallace’ Königsdisziplin, und in dieser nach Themen geordneten Anthologie sind seine Beobachtungsschärfe und sprachliche Brillanz neu zu entdecken. Neben Romanen und Erzählungen hat David Foster Wallace immer auch Essays geschrieben, mal im Auftrag von Zeitschriften und Zeitungen, mal für Sammlungen. Zu den bekanntesten gehört sicherlich »Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich«, sein berühmter Text über die Reise auf einem Kreuzfahrtschiff, und »Das hier ist Wasser«. Dieses monumentale Buch versammelt alle Sachtexte des großen amerikanischen Autors. Ulrich Blumenbach, der längst zur deutschen Stimme Wallace’ geworden ist, hat die Essays in diesem finalen Band nach Themengebieten geordnet: Von Tennis über Ästhetik, Sprache & Literatur, Politik, Film & Fernsehen, die Unterhaltungsindustrie und Leben & Liebe reicht die Bandbreite. So ist Wallace in all seiner Brillanz in diesen höchst unterhaltsamen und klugen Texten aufs Neue zu entdecken und zu bewundern. (KiWi)
Für Kinder
Antoine de Sanit-Exupéry – Der kleine Prinz, Sonderausgabe
Limitierte, in Leinen gebundene Sonderausgabe der bekannten ersten deutschen Übersetzung inklusive Entstehungsgeschichte.
Der Kleine Prinz lebt zusammen mit seiner Rose auf dem Planeten Asteroid B 612 und besucht die Erde. Hier lernt er neben dem Erzähler, der mit seinem Flugzeug in der Wüste notlandete, unter anderem den Fuchs kennen, der ihm das Vertraut-machen erklärt: „Du bist zeitlebens dafür verantwortlich für das, was Du Dir vertraut gemacht hast“. Ein weltbekanntes Buch voller Weisheiten und mit vielen geläufigen Zitaten, wie „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ oder „Das Eigentliche ist unsichtbar“. (Karl Rauch Verlag)
Grimms Märchen, illustriert von Flix, 128 Seiten
Die Märchen der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, von ihnen gesammelt und zwischen 1812 und 1815 herausgegeben, gehören zum Kanon der deutschen Literatur, waren schon zu Grimms Zeiten populär und werden seither begeistert gelesen und vorgelesen. Der vorliegende Band versammelt die schönsten Märchen aus dieser Sammlung: Die Bremer Stadtmusikanten, Schneewittchen, Frau Holle, Hänsel und Gretel, Aschenputtel, König Drosselbart und viele mehr.
Und der renommierte Illustrator und Comiczeichner Flix hat für diese Ausgabe der Insel-Bücherei Rotkäppchen, Rumpelstilzchen & Co. mit liebevollen Tuschezeichnungen neues Leben eingehaucht. (Insel Bücherei)
Fiete. Das verrückte Rennen, 32 Seiten
Das dritte Abenteuer mit Fiete, dem sympathischen Seemann und Weltenbummler aus den erfolgreichen und preisgekrönten Apps, wird rasant! „Auf die Plätze, fertig, los!“, heißt es diesmal, denn Fiete und seine Freunde Hinnerk und Hein nehmen an einer wilden Wüstenrallye teil. Auf einem Dreier-Motorrad gehen sie an den Start. Als ihr Gefährt kurz vor dem Ziel schlappmachen will, kann sie nur noch Hinnerks Spezialbenzin retten … und ein taffes Mädchen. Eine Bilderbuchgeschichte über echte Freunde und ein großes Abenteuer! (Boje Verlag)