Die Natur lässt sich nicht zähmen

Wie oft opfert der Mensch die Natur für vermeintlichen Fortschritt und bessere Lebensqualität, nur um später die bitteren Folgen zu spüren? Man muss gar nicht in die Ferne blicken, sondern nur ins Ahrtal, wo sich mit dem Hochwasser 2021 eine unfassbare Naturkatastrophe ereignet hat. Wird sich eine solche Katastrophe in absehbarer Zeit wiederholen? Niemand weiß es. Trotzdem wird die noch bestehende Gefahr überhaupt nicht beachtet, der Wiederaufbau geht unvermindert weiter – an gleicher Stelle, in gleicher Weise.

Man könnte vermuten, dass Maria Borrély beim Schreiben von „Das letzte Feuer“ solche aktuellen Naturkatastrophen vor Augen hatte – wäre das Buch nicht schon 1931 erschienen. Denn in ihrem Werk entführt die Autorin die Leser:innen in das raue und doch faszinierende provenzalische Bergdorf Orpierre-d’Asse, wo die Bewohner:innen mit den Widrigkeiten der Natur kämpfen und gleichzeitig nach einem besseren Leben streben.

Die Pläne der Provinzverwaltung, den nahe gelegenen Fluss Asse zu zähmen, ziehen deshalb die meisten Einwohner:innen ins Tal. Die Entfesselung der Asse verspricht eine goldene Zukunft mit fruchtbaren Böden, die bewirtschaftet werden können, und „Humus in Hülle und Fülle“ – endlich ein Ende des Mangels. Die Aussicht auf ertragreiche Zeiten lässt auch alten Groll verstummen und die Menschen helfen einander. Nur die alte Dorfbewohnerin Pélagie Arnaud widersteht dem verlockenden Ruf und bleibt im alten Dorf. Bei ihr brennt noch „das letzte Feuer“. Bald wird klar, dass der Umzug nicht das ersehnte Glück bringt. Die Katastrophe ist unausweichlich und die Familien werden zu Symbolen für die Tragik menschlicher Hoffnungen und Enttäuschungen.

Draußen ist es nicht kalt, doch der Himmel ist trüb, Feuchtigkeit liegt in der Luft. Die Sterne glänzen nicht. Man meint Wind zu hören… einen starken, gleichmäßigen Wind, doch es ist nur das beständige Rauschen der Asse.

Die Beschreibung der Landschaft und der Lebensumstände ist durchzogen von einer malerischen Sprache, die die Leser:innen in die Atmosphäre des Ortes eintauchen lässt. Das Buch ist eine Mahnung zum sorgsamen Umgang mit der Umwelt und zur Vorsicht vor übereilten Entscheidungen. „Das letzte Feuer“ von Maria Borrély ist ein kunstvolles Werk, das nicht nur durch seine bildhafte Sprache, sondern auch durch seine tiefgründige Thematik berührt. Eine Lektüre, die lange nachwirkt und zum Umdenken anregt.

Geschüttelt wie ein alter Baum im Wind, weint die Pélagie, deren Herz wie eine Quelle überströmt, sagt ein Gebet für jeden ihrer drei Toten. Ehe sie wieder hinausgeht, bittet sie Gott, damit sie in diesem Dorf begraben werden kann, dass er sie sterben lässt, ehe man den Friedhof stilllegt.

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