20240617 Buchblog Buecher Buecherherbst Rezension Demokratie gestalten FAB Verlag Frankfurt instabook

Demokratie als Lebensform, die unser Leben formt

Unsere Demokratie wird oft als selbstverständlich hingenommen. Lange Zeit konnte man sich nicht vorstellen, dass die Demokratie in Deutschland in irgendeiner Weise gefährdet sein könnte. Doch wir müssen wachsam sein. Inzwischen gehen Menschen auf die Straße, um unsere Werte und unsere Demokratie zu verteidigen. Aber reicht das? Was kann jeder Einzelne noch tun? Was können wir gemeinsam tun, um die Demokratie zu erhalten, zu verteidigen und auch zu verbessern?

Das Buch „Demokratie gestalten. Eine Aufforderung zum Handeln“, herausgegeben von Frank Dievernich, Jasmin Schülke und Paula Madeco Weiß im Verlag Frankfurter Allgemeine Buch, eröffnet eine vielschichtige und facettenreiche Diskussion über den Zustand unserer Demokratie. In insgesamt 31 Textbeiträgen und Interviews setzen sich verschiedene Autor:innen kritisch mit der oft selbstverständlichen Annahme auseinander, dass die demokratischen Strukturen in Deutschland unerschütterlich seien und präsentieren eine „streitbare Vielfalt“ zur Debatte. Zugleich sollen die Beiträge „Lust darauf machen […], selbst aktiv zu werden“ – und daran lässt sich das Buch durchaus messen.

„Omnipräsente, aber ritualisierte Bekenntnisse werden als Gegengift nicht ausreichen. Es braucht die beständige Praxis der Auseinandersetzung, die Teilnahme von allen an demokratischen Verfahren, und es braucht mehr engagierte öffentliche Fürsprecherinnen und Fürsprecher der Demokratie. Ihnen sollten wir eine Bühne bieten. Und wir sollten uns nicht Bange machen lassen.“

Die Texte, die einen starken Bezug zu Frankfurt, der Stadt der Paulskirche und damit der Wiege der deutschen Demokratie, haben, zeichnen sich durch ihre Vielfalt und Tiefe aus. Entgegen möglicher Befürchtungen sind sie jedoch keineswegs lokal fokussiert oder engstirnig, sondern bieten wertvolle Einsichten, die weit über die Grenzen Frankfurts hinausreichen.

Ein besonders innovatives Konzept ist das „Haus der Demokratie“. Dieses Modell der Partizipation und gesellschaftlichen Teilhabe ließe sich eigentlich problemlos auf andere Städte und Gemeinden übertragen. Es muss nicht gleich ein ganzes Haus sein – schon ein einzelner Raum, der der demokratischen Auseinandersetzung und der aktiven Bürger:innenbeteiligung gewidmet ist, könnte eine große Wirkung entfalten.

Das Buch vermittelt aber nicht nur Optimismus und die Überzeugung, dass unsere Demokratie widerstandsfähig und zukunftsfähig ist, sondern benennt auch klar die bestehenden Probleme. Stephan Hebel betont die Notwendigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen, auch wenn sich viele Menschen politisch ohnmächtig fühlen. Mitherausgeberin Paula Madeco Weiß weist gleich auf einen zentralen Punkt hin: Die Zukunft der Demokratie hängt entscheidend davon ab, ob wir bereit sind, unsere Komfortzonen zu verlassen und den Dialog zu suchen. In dieser ehrlichen Auseinandersetzung mit den Herausforderungen für die Demokratie liegt der große Wert des Buches.

In „Demokratie gestalten“ präsentieren die Autor:innen vielfältige Wege zur Mitgestaltung und bieten neue Perspektiven. Demokratie wird hier nicht auf gelegentliches Wählen reduziert, sondern als lebendiger Prozess beschrieben, der aktives Praktizieren, Erleben und Mitgestalten erfordert. Dabei wird deutlich, dass kontroverse Debatten und letztlich Kompromisse unverzichtbar sind. Darüber hinaus müssen gesellschaftliche Grundsatzfragen wie Wohnen, Sozialstaat und Gemeinwohlorientierung der Finanzmärkte gelöst werden, um eine funktionierende Demokratie zu gewährleisten. Das Buch ist Anregung und Aufforderung zugleich, selbst aktiv zu werden und unsere gemeinsame demokratische Zukunft mitzugestalten.

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