Den Hass in seine Schranken weisen

Rezension: Carolin Emcke – Gegen den Hass

Carolin Emcke gegen Hass Rezension Buecherblog BuecherherbstClausnitz. Februar 2016. Eine Flüchtlingsunterkunft. Davor: ein Bus; darin: überwiegend Frauen und Kinder, irritiert, wütend, verängstigt nach draußen blickend, einige weinend. Rund um den Bus hat sich ein tobender Mob formiert – der blanke Hass. Als „die Schande von Clausnitz“ wird diese düstere Szenerie deutschlandweit für Schlagzeilen sorgen und in Erinnerung bleiben. Es sollte ein normaler Transport von geflüchteten Menschen zu ihrer Notunterkunft sein. Doch es wird zum Symbol für den ausländer- und flüchtlingsfeindlichen „Wutbürger“. Wie konnte es so weit kommen? Warum waren die Bürger so voller Hass? Und auf wen eigentlich? Auf die hilflosen Menschen im Bus, die gerade eine brutale Flucht quer durch Europa überlebt haben? Nahmen die Clausnitzer die Businsassen überhaupt als Menschen wahr oder richtete sich ihr Hass schlichtweg gegen die allgemeine gesellschaftliche Situation?

Diesen Fragen geht Friedenspreis-Trägerin Carolin Emcke in ihrem Buch Gegen den Hass nach und versucht den Hass, dieses Gefühl der Abneigung, dieser Aggression der Bürger dieses ostdeutschen Dorfes im Speziellen sowie einem Teil der deutschen Gesellschaft im Allgemeinen, zu verstehen und die Ursachen zu erklären. Erschreckend bei der Aufarbeitung ist, dass die Hassenden sich ihrer Sache uneingeschränkt sicher sind, keine Zweifel aufkommen lassen, dass sie auf der richtigen Seite stehen und vollkommen undifferenziert sind in ihrer Betrachtung – sowohl gegenüber den Menschen in dem Bus, als auch gegen das vertikale „Andere“ („die da oben“). Der hier auftretende Hass ist „kollektiv und ideologisch geformt“, macht Emcke deutlich.

Ein kulturelles Gewohnheitsrecht kann und darf nicht die Menschenrechte aushebeln.

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Büchertipps statt Böllerwahn

Buchtipps BuecherstattBoeller Buecherherbst BuecherblogEs ist kein Geheimnis, dass ich nicht viel von der ganzen Böllerei rund um Silvester halte. Abgesehen von den Gefahren (#illegaleBöller) einerseits sowie der Vorstellung andererseits, wie viele sinnvolle Projekte man mit diesem ganzen verfeuerten Geld unterstützen könnte, verstehe ich ohnehin nicht, warum in einer ganzjährig lauten Welt das Jahresende mit einem noch lauterem Knall beendet respektive das neue Jahr begonnen werden sollte. Warum kann nicht einfach die Ruhe gefeiert werden? Anstatt zu Jahresbeginn Kraft zu tanken, um wichtige oder schöne Vorhaben anzugehen, wird in Übermaß Geld ausgegeben für wenige Sekunden „Spaß“.

Für alle Menschen, die sich das Geld gespart haben und lieber das Neue Jahr mit guten Büchern beginnen möchten, habe ich ein paar Buchtipps für den Start in 2018. In einer immer stärker politisierten Welt – und auch einer stark politisierten und polarisierten deutschen Gesellschaft – sind meine Empfehlungen ebenfalls durchaus politisch. Was die Bücher sowie den Jahreswechsel eint: Ein Neuanfang hält viele neue Chancen bereit.

Robert Menasse – Die Hauptstadt

Robert Menasse Hauptstadt Rezension Buecherherbst Buecherblog Suhrkamp EU

(c) Suhrkamp

Beginnen möchte ich mit dem besten Roman des Jahres – und das nicht nur, weil er mit dem Deutschen Buchpreis 2017 ausgezeichnet wurde: Robert Menasses Die Hauptstadt (Europa am Scheideweg: Utopie oder Ruine). So leidenschaftlich wie der österreichische Autor hat zuvor niemand in Romanform für Europa geworben. Das auf Ewigkeit angelegte Friedensprojekt befindet sich fraglos in seiner schwersten Phase der Nachkriegszeit. Menasse zeigt das schwerfällige Europa und lässt zugleich von einer progressiven Zukunft Europas träumen.

Carolin Emcke – Gegen den Hass

Carolin Emcke Gegen den Hass Fischer Verlag Buecherherbst Buecherblog

(c) S. Fischer

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Das 17. Mal | Programm der lit.COLOGNE 2017

litcologne-2017-koeln-programm-buecherherbst-buecherblogMit dem Motto „Wenn sich Köln wieder in einen großen Hörsaal verwandelt, sitzen wir gerne mit in der ersten Reihe“ wirbt einer der Sponsoren der lit.COLOGNE 2017 für sein Engagement. Und wer würde nicht gerne in der ersten Reihe sitzen, wenn Größen wie T.C. Boyle, Martin Suter, Ian Kershaw, Charlotte Link, Jonathan Safran Foer, Carolin Emcke oder Ian McEwan in die Domstadt kommen und über ihre (größtenteils neuen) Bücher sprechen und sie in kurzen Lesungen vorstellen. Heute wurde das Programm Das 17. Mal offiziell vorgestellt und auch der Vorverkauf gestartet – allerdings sind die Höhepunkte teils schon ausverkauft (Der literarische Salon mit Navid Kermani und Christoph Ransmayr) oder es sind nur noch wenige Restkarten verfügbar (T.C. Boyle). Deshalb besser jetzt als morgen zugreifen: Karten für die lit.COLOGNE. Ich freue mich, immerhin noch Karten für die Veranstaltungen mit T.C. Boyle sowie Carolin Emcke ergattert zu haben.

Einen Überblick zum Programm vom 7. bis 18. März kann man sich im offiziellen Flyer zur lit.COLOGNE verschaffen, folgend auch nochmals alle Veranstaltungen einzeln aufgeführt:

Fr., 27.1.: Jonathan Safran Foer – Hier bin ich

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T.C. Boyle (c) Lesekreis (Own work) [CC0, via Wikimedia Commons]

Mo., 20.2.: T.C. Boyle – Die Terranauten

Di., 7.3.: Deutscher Hörbuchpreis 2017, Moderation: Götz Alsmann

Mi., 8.3.: Die Freiheit des Wortes (verfolgte SchriftstellerInnen in und aus der Türkei)

Mi., 8.3.: Ian Kershaw und Guido Lambrecht – Höllensturz. Europa 1914-1949

Do., 9.3.: Patricia Melo und Anneke Kim Sarnau – Trügerisches Licht

Do., 9.3.: Annette Frier und Sky du Mont – Ich bin so geil (Zusatzveranstaltung)

Do., 9.3.: Reinhold Beckmann und Marcel Reif – Nachspielzeit

Die Rueckkehr von Hisham Matar Luchterhand Buecherherbst Buecherblog litcologneDo., 9.3.: Hisham Matar und Christian Brückner – Rückkehr

Do., 9.3.: Sofi Oksanen – Die Sache mit Norma (mit Katharina Schmalenberg)

Do., 9.3.: Das 1Live Klubbing Spezial mit Jochen Schmidt und Roman Ehrlich

Do., 9.3.: Clueso – Über seine Lyrics

Do., 9.3.: Der literarische Salon mit Christoph Ransmayr Weiterlesen

Orte des Wissens und der Ruhe

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(c) Carina Döring / pixelio.de

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(c) Rainer Sturm / pixelio.de

Sie sind Stellen der Ruhe, eine Rückzugsmöglichkeit in hektischen Zeiten; sie sind generationenübergreifende, soziale Treffpunkte und Orte des (beinahe unbegrenzten) Wissens: Bibliotheken sind ein unerlässliches kulturelles Erbe. Doch sie können noch mehr sein als ein Raum, gefüllt mit deckenhohen Regalen voller Bücher und anderer Medien. So manch eine Bibliothek ist ein architektonisches Kunstwerk.

Die schönsten Bibliotheken hatte Spiegel Online kürzlich in einer Fotostrecke vereint: „Edles Material, hohe Räume, ehrfürchtige Atmosphäre: Rund um den Globus haben Architekten dem gedruckten Wissen beeindruckende Gebäude gewidmet“ (Kathedralen des Wissens).

Weitere Themen der vergangenen Woche in der Rückblende:

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(c) Ot (Own work) [CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons]

Carolin Emcke ist eine der wichtigsten Intellektuellen der Bundesrepublik und diesjährige Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels. Es sind die drängenden Themen unserer Zeit über die sie nachdenkt, vor denen sie sich nicht wegduckt, die sie analysiert, für deren öffentliche Diskussion sie sich engagiert: Fanatismus, Demokratiefeindlichkeit, Gewalt, Rassismus.“ Weiterlesen

Global klicken, lokal kaufen: Ist bald Schluss für Buchhandel.de?

logoDie Händler in den deutschen Innenstädten versuchen alles, um den Kampf gegen den Onlinehandel nicht zu verlieren und das Aussterben der „kleinen“ Geschäfte zu verhindern. Das veränderte Einkaufsverhalten der Menschen, die sich oftmals vor Ort beraten lassen oder die Ware genauer anschauen, um letztlich doch online zu kaufen, bedroht die Existenz der Fachhandlungen. Gerade der Buchhandel – vielleicht wenige große Ketten ausgenommen – ist massiv bedroht durch das Abwandern der Kunden in die Onlineshops. Schließlich müssen Buchkäufer das gewünschte Produkt nicht zwingend in den Händen halten (oder anprobieren). Eine Beratung ist ebenfalls nicht unbedingt vonnöten, immerhin handelt es sich nicht um komplizierte Technik, sondern ein Produkt, das wie kaum ein zweites aufgrund von individuellen Vorlieben gekauft wird. Deshalb versuchten die Buchhandlungen gegenzusteuern und richteten eigene Onlineshops ein – also online einkaufen und trotzdem den lokalen Händler unterstützen. Um eine noch bessere Vernetzung und Auffindbarkeit zu erreichen, nutzen hunderte Buchhandlungen die Plattform von Buchhandel.de, die Buy Local mit ihrem Prinzip Global klicken, lokal kaufen hervorragend an die veränderten Begebenheiten angepasst hat.

Jedoch mehren sich die Anzeichen, dass die Buchhandelsplattform nicht rentabel ist und vor einer ungewissen Zukunft steht. So berichtet das Börsenblatt von teils hitzigen Debatten auf der kürzlich stattgefundenen Hauptversammlung – und von Stimmen, die lieber „ein Ende mit Schrecken“ möchten, da viele „Mitglieder […] unter diesen Bedingungen offenbar keine Zukunft für das Gemeinschaftsportal“ sehen (Quelle: Buchtage Leipzig: Hauptversammlung debattiert über buchhandel.de). Sicherlich dürfen wirtschaftliche Aspekte nicht außer Acht gelassen werden – leider stehen sie zumeist ohnehin an vorderster Stelle bei der Betrachtung der Rentabilität -, doch wäre das Ende von Buchhandel.de zugleich ein verheerendes Zeichen, dass gegen Amazon (stellvertretend für die großen monopolistischen Onlineplattformen) kein Kraut gewachsen ist.

Und auch für alle Bücherkäufer hätte es unschöne Auswirkungen Weiterlesen