Bereits vor Jahren schrieb ich, dass es sinnvoller wäre, wenn Menschen ihr Geld lieber in Bücher statt in Silvesterknallerei (#BücherstattBöller) stecken würden. Inzwischen gibt es immer mehr Befürworter eines „Böllerverbots“, vor allem durch die Klimadebatte; so wird an den Menschenverstand appelliert, individuell etwas für das Klima zu tun. Man könnte das dadurch nicht verschwendete Geld beispielsweise auch spenden oder sich ein leckeres Essen mit teureren Zutaten zum Jahreswechsel gönnen – oder natürlich Bücher kaufen, hierdurch den lokalen Buchhandel unterstützen und (noch mehr) lesen.
Gerade bei einer immer verhärteteren Debatte in vielen gesellschaftlichen Bereichen scheint es wichtiger denn je, würden Menschen das Geld lieber in Bildung investieren statt in plumpe Böllerei.
Denn die Individualisierung der Gesellschaft bringt – zumindest an manchen Stellen – auch eine Egoismisierung mit sich.
Sobald sich jemand in seiner Lebensweise eingeschränkt fühlt, sind es die bösen Spaßbremsen, die das Leben durch Verbote unlebenswert machen – als würde, um beim aktuellen Beispiel zu bleiben, die massive Böllerei zu Silvester, und auch schon teils Tage zuvor, allen Menschen uneingeschränkt gleichermaßen Spaß bereiten.
Ich habe jedenfalls ohnehin nie verstanden, was an einem Knall mit Farbeffekt so faszinierend sein soll. Deshalb habe ich auch dieses Jahr wieder Bücher statt Böller gekauft. Da ich in den vergangenen Tagen in Leipzig war, habe ich dort unter anderem die Buchhandlung aufgesucht, die zugleich Partner der Büchergilde Gutenberg ist, um die äußere Schönheit nicht außer Acht zu lassen – bei Büchern immerhin zählt diese durchaus.
Meine Auswahl zum Jahreswechsel fiel auf folgende in Umfang, Aufmachung und Inhalt sehr unterschiedliche Werke:
Karl Marx / Friedrich Engels – Die soziale Revolution. GrundSätze
Karl Marx und Friedrich Engels haben mit ihrem Konzept von einer klassenlosen Gesellschaft „die Verhältnisse zum Tanzen“ gebracht. Doch die revolutionäre Ballnacht mündete in eine Sonnenfinsternis des menschlichen Geistes. Haben uns Marx und Engels dennoch weiterhin Gültiges zu sagen? Ja! Viele der hier versammelten Textstellen lesen sich, als seien sie gerade erst geschrieben worden. Sie behandeln Kernprobleme und gesellschaftliche Grundkonflikte, die unser aller Lebenswirklichkeit bis heute fundamental prägen. Dieses Bändchen lädt dazu ein, Marx und Engels aus den dogmatischen Korsetts zu helfen, um sie zum Tanzen zu bringen. (Büchergilde)
Joseph Anton – Salman Rushdie. Die Autobiografie
Am Valentinstag, dem 14. Februar 1989, erhält Salman Rushdie den Anruf einer BBC-Reporterin und erfährt, dass der Ayatollah Khomeini ihn „zum Tode verurteilt“ hat. Zum ersten Mal hört er das Wort „Fatwa“. Sein Vergehen? Einen Roman mit dem Titel Die satanischen Verse geschrieben zu haben, dem vorgeworfen wird, sich „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“ zu richten.
So beginnt die außergewöhnliche Geschichte eines Schriftstellers, der gezwungen wird, unterzutauchen und in ständiger Begleitung einer bewaffneten Polizeieskorte von Aufenthaltsort zu Aufenthaltsort zu ziehen. Als die Polizei ihn auffordert, sich einen Decknamen zuzulegen, wählt er eine Kombination aus den Vornamen seiner Lieblingsschriftsteller Conrad und Tschechow – Joseph Anton. (Bertelsmann)
Colson Whitehead – Die Nickel Boys
Florida, Anfang der sechziger Jahre. Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee und ist ein Bewunderer Martin Luther Kings. Als er einen Platz am College bekommt, scheint sein Traum von gesellschaftlicher Veränderung in Erfüllung zu gehen. Doch durch einen Zufall gerät er in ein gestohlenes Auto und wird ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesperrt. Dort werden die Jungen missbraucht, gepeinigt und ausgenutzt.
Erneut bringt Whitehead den tief verwurzelten Rassismus und das nicht enden wollende Trauma der amerikanischen Geschichte zutage. Sein neuer Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, ist ein Schrei gegen die Ungerechtigkeit. (Hanser)
Wir werden geboren, ohne eine Wahl zu haben. Müssen wir deswegen auf gleiche Art sterben? Null K ist DeLillos klügster, humorvollster und bewegendster Roman seit Jahren, eine große Vater-Sohn-Geschichte, eine Meditation über den Tod und die Ewigkeit und eine Liebeserklärung an das Leben.
Ross Lockhart ist ein Milliardär in den Sechzigern mit einer viel jüngeren Frau, Artis Martineau. Sie ist schwer krank. Ross ist Großinvestor eines im Verborgenen agierenden Unternehmens, das den Tod ausschalten will. Das Projekt: Sterbende lassen sich einfrieren und erst wieder zum Leben erwecken, wenn Medizin und Technik so weit sind, dass der Mensch ein ewiges Leben ohne Krankheiten führen kann. Als Artis sich diesem Prozess unterziehen will, reist Ross’ Sohn Jeffrey an, um Abschied von seiner Stiefmutter zu nehmen – auf unbestimmte Zeit. (KiWi)
Arthur Schopenhauer – Eristische Dialektik oder Die Kunst, Recht zu behalten
Die 38 Kunstgriffe des geschliffensten Aphoristikers („Die Welt hat einiges von mir gelernt, was sie nie wieder vergessen wird“) lehren, wie man den Gegner dialektisch in die Ecke spielt, aufs Kreuz legt und gegebenenfalls sogar geschickt übertölpelt.
„Wo man gegen die dargelegten Gründe des Gegners nichts vorzubringen weiß, erkläre man sich mit feiner Ironie für inkompetent: ‚Was Sie da sagen, übersteigt meine schwache Fassungskraft: es mag sehr richtig seyn; allein ich kann es nicht verstehn, und begebe mich allen Urteils.‘ Dadurch insinuiert man den Zuhörern, daß es Unsinn ist.“ (Schon „wegen der Sprache allein muss man ihn unbedingt lesen“, Franz Kafka). Die Qualität Schopenhauers war immer die, dass er vor 200 Jahren schon die Welt von heute antizipiert hat. „Er hat die Führer in die herrliche Zukunft, die Marktschreier der Herrenrasse vorausgeahnt … Er hat der Gesellschaft ins Herz gesehen“ (Max Horkheimer). (Zweitausendeins)
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