
(c) Piper
Manchmal ist es gar nicht so kompliziert, Menschen einer Kategorie zuzuordnen: a) Sie kennen Christian @Pokerbeats Huber – sie sind Twitterer; b) Sie kennen ihn nicht – Sie sind „Ich bin doch schon bei Facebook“-Menschen. Ich gehöre zu den mehr als 27.000 Followern, die den tagtäglichen Wahnsinn, den @Pokerbeats twittert, miterleben, ihn faven und selbst über banalsten Blödsinn herzhaft lachen. Für alle, die diese Dosis Spaß auch gerne analog genießen möchten, hat er seine Alltagsbeobachtungen in ein Buch gepackt: Fruchtfliegendompteur.
Es geht Christian @Pokerbeats Huber gar nicht um die große Erzählung. Der Besuch beim Postamt oder beim Arzt, die Fahrt mit der Straßenbahn, „katzensitten“ oder das Leben als mittelprächtig erfolgreicher Musikkomponist – vielmehr sind es zahlreiche Episoden, Situationskomik par excellence. Der Vorteil: Jeder Leser findet eine Unmenge an Kapiteln, in denen er sich wiedererkennt oder die er in ähnlicher Form erlebt zu haben glaubt. Genau deshalb funktioniert dieses Buch so gut – ein Konzept, das auch Mario Barth in Perfektion beherrscht, wobei ein Vergleich zwischen mittelmäßig begabtem Comedian und mittelmäßig zielstrebigem Ich-Erzähler doch beleidigend wäre, schließlich weiß @Pokerbeats durch Wortwitz zu überzeugen und ist nicht monothematisch beschränkt.
Die Geschichte selbst ist also eher nebensächlich, sie nachzuerzählen würde zu nichts führen, denn das geniale Element rührt nicht vom Handlungsstrang her – dieser ist eigentlich fast beliebig austauschbar -, sondern von der Beschreibung banaler Alltagsszenen, bei denen er stets das richtige Momentum erwischt, einen Gag einzubauen. Ok, manchmal ist es ziemlich überspitzt. Wer pointiertes Kabarett mag, ist hier falsch, stets wird noch ein Gag obendrauf gesetzt, aus dem Leser wird ein pathologisch Lachender. Das führt manchmal auch zu unnötigen Längen, obwohl der Blick auf die Situation schon scharfsinnig und prägnant war, es gar nicht noch eine Pointe gebraucht hätte.
Trotzdem bin ich stolz wie Bolle, denn jedem Mitwirkenden des Albums hat die Plattenfirma eine goldene Schallplatte zukommen lassen. Und meine liegt jetzt irgendwo im Lager des Zollamtes Schöneberg, deklariert als „gestellungspflichtig“ und bewacht von Hartmut Kugler, der mich ansieht, als wäre ich Pablo Escobar persönlich und an seinem Schalter, um mir siebzig Kilo ungestrecktes, feinstes kolumbianisches Kokain abzuholen. […]
„So eine Goldene bekommt man also einfach so geschenkt?“, der Zollbeamte begutachtet meine Platte geringschätzig, so als hätte er sie eben am Straßenrand vom Sperrmüll aufgesammelt. […]
„Pokerbeats? Haben Sie das Teil beim Glücksspiel gewonnen?“ Eventuell bin ich in einem Kafka-Roman gefangen. Oder in einer Snickers-Werbung.
Wer nur zu gerne über die „Irritationen des Alltags“ lacht, dem sei dieses kurzweilige und durchweg witzige Buch empfohlen, es ist eine hervorragende Zwischendurchlektüre, die die eigene Stimmung stets verbessert. Und da es kein richtiges Ende gibt, ist eine Fortsetzung nicht ausgeschlossen – bis dahin dürften auch ein paar mehr Nichttwitterer @Pokerbeats kennen.
(Eine Leseprobe gibt es beim Verlag: Fruchtfliegendompteur)